Interview mit Johannes von Cossel von Additiv-Chemie Luers
Spezialisierung und Nachhaltigkeit als Schlüssel zum Erfolg in der Chemiebranche
Johannes von Cossel ist seit vier Jahren Geschäftsführer der Additiv-Chemie Luers GmbH & Co. KG (kurz: ACL), einem Tochterunternehmen der DS-Gruppe. Das Delmenhorster Chemieunternehmen ist auf die Herstellung von Additiven, Paketlösungen und Spezialprodukten für die Metallbearbeitung spezialisiert. Im Interview sprachen wir über Strategien zur Positionierung in einer spezialisierten Nische und die Bedeutung nachhaltiger Produkte.
Die chemische Industrie in Deutschland sieht sich in jüngster Zeit mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Unter anderem leidet die Branche unter den hohen Energiepreisen, die sich negativ auf die Produktion auswirken. Viele Unternehmen mussten Umsatzeinbußen hinnehmen und Investitionen zurückfahren. Große Unternehmen wie Evonik haben massiv Arbeitsplätze abgebaut. Trotz dieser Umstände hat Additiv-Chemie Luers das Geschäftsjahr 2023 erfolgreich abgeschlossen. Welche Faktoren haben zu diesem positiven Ergebnis beigetragen?
Die gestiegenen Energiekosten sind mit ca. 200.000 bis 250.000 Euro Mehrkosten pro Jahr zwar spürbar, stehen aber in keinem Verhältnis zu den Kosten, die große energieintensive Unternehmen wie BASF oder Evonik zu tragen haben. Neben Öl von DS und Gas können wir auch auf kostengünstigen Strom aus unserer eigenen Photovoltaikanlage zurückgreifen.
Wir sind in einem sehr spezialisierten Marktsegment tätig und kennen die Einflüsse und Herausforderungen genau. Wir stellen uns diesen Herausforderungen und konzentrieren uns auf den Vertrieb. Unser Handelsgeschäft haben wir erfolgreich ausgebaut. Insbesondere die Produkte aus der eigenen Fertigung sind für Additiv-Chemie Luers von großer Bedeutung, denn sie sind ein wichtiger Umsatzfaktor und Beschäftigungsgarant in der Produktion. Daher legen wir großen Wert auf deren Weiterentwicklung und Vertrieb.
Welche Strategien verfolgt Additiv-Chemie Luers, um sich in der spezialisierten Nische der Chemiebranche erfolgreich zu positionieren?
Unsere Stärke liegt im Spezialitätengeschäft. Im Gegensatz zum großvolumigen Geschäft im Energiebereich sind wir auf kleinere Mengen mit höheren Margen spezialisiert. Ein zentrales Element unserer Strategie ist es, die Distribution für andere Unternehmen in Europa übernehmen, um zusätzliche Umsätze zu generieren. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür ist unsere Partnerschaft mit einem südafrikanischem Unternehmen. Als neuer Distributionspartner vertreiben wir nun dessen Produkt mit einem jährlichen Volumen von über 200 Tonnen auf dem europäischen Markt. Unser Ziel ist es, dieses Volumen weiter auszubauen.
Darüber hinaus engagieren wir uns in Entwicklungsprojekten in Kooperation mit anderen Unternehmen. Ein aktuelles Beispiel ist unser Entschäumer-Projekt, das wir 2018 gestartet haben. Den Spezial-Entschäumer vertreiben wir seit Anfang 2024 nun in unserem Marktsegment. Entschäumer sind Spezialprodukte, die in kleineren Mengen verkauft werden und attraktive Margen bieten.
Additiv-Chemie Luers legt großen Wert auf Nachhaltigkeit. Welche konkreten Schritte haben Sie unternommen, um Ihre Produkte und Prozesse nachhaltiger zu gestalten, und wie reagieren Ihre Kunden auf diese Initiativen?
Wir betrachten Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil jeder Kundeninteraktion. Die Diskussion über Nachhaltigkeit endet jedoch bei der Frage, welche konkreten Maßnahmen und Aktionen daraus resultieren. Viele Kunden wollen zeigen, dass sie im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind, aber das Thema hat sich bisher nicht vollständig kommerzialisiert.
In der Petrochemie ist es eine komplexe Herausforderung, Produkte nachhaltiger zu gestalten. Ein Ansatz ist die Verwendung alternativer synthetischer Ausgangsstoffe wie Ester und vegetabile Öle anstelle von Mineralöl. Diese Alternativen sind umweltfreundlicher, aber auch teurer. Die zentrale Frage bleibt, ob der Markt bereit ist, diese Mehrkosten zu tragen – und das ist oft noch nicht der Fall. Hinzu kommt, dass die Definition von „nachhaltig“ sehr unterschiedlich ist. Für uns stehen Aspekte wie biologische Abbaubarkeit, Lösemittelfreiheit (VOC-frei), Produktkennzeichnung und Mineralölfreiheit im Vordergrund.
An unserem Standort arbeiten wir intensiv daran, die Geschäftsprozesse nachhaltiger zu gestalten. Dazu gehören Maßnahmen wie die Reduzierung des Papierverbrauchs durch verstärkte Digitalisierung, die Umstellung auf Ökostrom und die Installation einer eigenen Photovoltaikanlage sowie die Optimierung unserer Heizprozesse durch technische Verbesserungen. Aber auch durch die Reduzierung der Wandstärke unserer Fässer können wir den Stahlverbrauch minimieren und damit CO2 einsparen.
Planen Sie Erweiterungs-, Wachstums- oder Umbaumaßnahmen?
2017 haben wir auf Anraten von DS das Grundstück neben und hinter uns gekauft. Jetzt haben wir in Delmenhorst mehr als doppelt so viel Fläche zur Verfügung. Beim Gewerbeaufsichtsamt in Oldenburg haben wir einen BIMSCH-Antrag gestellt, um hier eine Lagerhalle mit eventueller Produktion zu errichten. Geplant ist auch eine neue, optimierte LKW-Umfahrung der Gebäude.
Die Erweiterung der Lagerflächen ist besonders wichtig, da unser Handelsgeschäft in den letzten Jahren stark gewachsen ist und wir zusätzlichen Lagerraum benötigen. Der notwendige Kredit für diese Erweiterungspläne wurde bereits bewilligt. Derzeit befinden wir uns in der Genehmigungsphase und warten auf die endgültige Zustimmung des Gewerbeaufsichtsamtes.
In diesem Jahr hat die DS-Gruppe ihren Chemiebereich durch die Übernahme des norwegischen Innovators Sparks AS erweitert. Wie bewerten Sie diese Akquisition im Kontext der DS-Gruppe und welche Potenziale sehen Sie für zukünftige Kooperationen?
Sparks ist ein langjähriger Handelspartner unserer Tochtergesellschaft Esti Chem. Das Unternehmen wird von zwei erfahrenen Kollegen geleitet, die den Markt und die Besonderheiten der skandinavischen Region, wie z. B. die klimatischen Bedingungen, sehr gut kennen. Sparks konzentriert sich derzeit auf die Belieferung der norwegischen Ölindustrie mit umweltfreundlichen bzw. biologisch abbaubaren Reinigungsmitteln. Ein zukunftsweisendes Projekt ist die Reinigung von Ölplattformen, die aufgrund des Rückgangs der Ölförderung zurückgebaut oder demontiert werden müssen. In diesem Bereich ist Esti Chem bereits tätig.
Der skandinavische Markt zeichnet sich durch eine fortschrittliche Einstellung gegenüber nachwachsenden Rohstoffen aus. In der Zusammenarbeit mit Sparks und Esti Chem sehen wir großes Potenzial für die gemeinsame Entwicklung neuer Produkte und die Expansion in neue Vertriebsgebiete. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, „Green Fuels“ wie beispielsweise HVO (Hydrotreated Vegetable Oil, Biokraftstoff aus hydriertem Pflanzenöl) gemeinsam mit dem Energiebereich der DS-Gruppe weiterzuentwickeln und zu vermarkten.
Wir bewerten die Akquisition von Sparks als sehr positiv und sehen darin eine hervorragende Möglichkeit, das Geschäft der DS-Gruppe im Bereich Chemie weiter auszubauen und von den Erfahrungen und Kompetenzen von Sparks und Esti Chem zu profitieren.
In der Zusammenarbeit mit Sparks und Esti Chem sehen wir großes Potenzial für die Entwicklung neuer Produkte und die Expansion in neue Vertriebsgebiete. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, erneuerbare Produkte wie gemeinsam mit dem Energiebereich der DS-Gruppe weiterzuentwickeln und zu vermarkten.
Sind weitere Akquisitionen geplant?
Wir halten weiterhin Ausschau nach geeigneten kleineren Unternehmen, um unser Wachstum sowohl organisch als auch durch Akquisitionen voranzutreiben. Mit dieser Strategie erweitern wir unsere Geschäftsfelder und stärken unsere Marktposition.
Welche Rolle spielt der Produktionsstandort der Alpha Chemie in Freital?
Alpha Chemie spielt eine wichtige Rolle in unserem Produktionsnetzwerk. Obwohl es sich um eine kleine Produktionsstätte mit nur 5 Mitarbeitenden handelt, produziert sie beeindruckende 800 Tonnen Produkt pro Jahr (ACL produziert insgesamt knapp 8.000 Tonnen). Alpha Chemie ist für uns besonders wertvoll, weil sie Rohstoffe herstellt, die Additiv-Chemie Luers im Bereich Korrosionsschutz benötigt und an die Schmierstoffindustrie verkauft. Durch diese „Rückwärtsintegration“ sichern wir uns eine unabhängige Versorgung mit eigenen Rohstoffen und stärken damit unsere Marktposition.
Die Integration der Alpha Chemie in die Additiv-Chemie Luers hat sich positiv entwickelt und ist für uns von strategischer Bedeutung. Als Zeichen unseres Engagements und unserer Wertschätzung haben wir in Freital eine neue Lagerhalle errichtet und sind dabei, die Produktionsanlagen und die Infrastruktur kontinuierlich zu modernisieren und zu erneuern.
Wer Additiv-Chemie Luers besucht, dem fällt sofort die herzliche und familiäre Atmosphäre im Team auf. Welche gemeinsamen Werte verbinden für Sie als Geschäftsführer mit der DS-Gruppe?
Ich schätze die mittelständischen Werte, die uns mit der DS-Gruppe verbinden. Besonders schätze ich die hanseatische Mentalität, die für Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Fairness steht.
Unser Team besteht aus rund 50 Mitarbeitenden, und ich lege großen Wert auf den persönlichen Kontakt. Ich gehe regelmäßig in die Produktion, tausche mich mit den Teammitgliedern aus und bin im Betrieb präsent. Für mich ist es wichtig, dass wir als Team zusammenarbeiten, uns gegenseitig unterstützen und gemeinsam an unseren Zielen arbeiten. Diese Teamorientierung und der gegenseitige Respekt sind für mich zentrale Werte, die sowohl bei Additiv-Chemie Luers als auch in der gesamten DS-Gruppe hochgehalten werden.
Die Zusammenarbeit mit der DS-Gruppe ist für uns sehr wertvoll und erfolgreich. Wir schätzen die Unterstützung, die wir in verschiedenen Bereichen erhalten, sei es bei strategischen Themen, in der Buchhaltung, im Personalwesen oder im Marketing. Diese Synergien und die gemeinsame Unternehmenskultur machen die Zusammenarbeit mit der DS-Gruppe für uns sehr angenehm und produktiv.